Mehrfachbeschäftigung: Alles, was Sie wissen sollten

Personalrat

Die Anzahl der Arbeitnehmenden mit Nebenjob steigt stetig an. Höchste Zeit, die wichtigsten Rahmenbedingungen kennenzulernen. Wie lautet die Definition von Mehrfachbeschäftigung, wie wirkt sie sich auf die Sozialversicherung und Lohnsteuer aus und wie funktioniert die Krankmeldung bei Mehrfachbeschäftigung?

Key Facts 

  • Werden mehrere Beschäftigungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern ausgeführt, liegt eine Mehrfachbeschäftigung vor.

  • Im Regelfall werden das zweite und alle weiteren Beschäftigungsverhältnisse mit Steuerklasse VI abgerechnet. Bei der Sozialversicherung werden alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse zusammengerechnet.

  • Arbeitgeber dürfen Nebenbeschäftigungen nicht pauschal verbieten. Jedoch kann eine Interessenabwägung bzw. eine Verpflichtung aus dem bestehenden Beschäftigungsverhältnis ein Verbot begründen.

  • Bei Mehrfachbeschäftigung müssen im Krankheitsfall alle Arbeitgeber informiert werden. Überschreitet die Krankheitsdauer eine festgelegte Anzahl von Tagen, müssen die Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entweder in Papierform oder elektronisch erhalten.

Was versteht man unter Mehrfachbeschäftigung? 

Die gleichzeitige Ausübung mehrerer Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern wird als Mehrfachbeschäftigung definiert. Eine Mehrfachbeschäftigung liegt demnach vor, sofern bei zwei Tätigkeiten der Arbeitgeber nicht dieselbe juristische oder natürliche Person ist.

Beispiel: Beschäftigen Sie Angestellte sowohl in Ihrem Einzelunternehmen als auch im Haushalt, liegt keine Mehrfachbeschäftigung vor, da die Angestellten in beiden Fällen für die gleiche natürliche Person tätig sind. Handelt es sich dagegen nicht um Ihr Einzelunternehmen, sondern um eine eigene juristische Person, wie z. B. eine GmbH, liegt Mehrfachbeschäftigung vor.

Bei Mehrfachbeschäftigung sind zudem verschiedene Konstellationen möglich

  • eine Hauptbeschäftigung und eine oder mehrere nicht geringfügige Nebenbeschäftigungen

  • eine oder mehrere Beschäftigungen mit geringfügiger Nebenbeschäftigung

  • eine oder mehrere Beschäftigungen mit mehreren geringfügigen Nebenbeschäftigungen

  • mehrere geringfügige Beschäftigungen

Hinweis: Bei mehreren Beschäftigungen gilt diejenige Beschäftigung als Hauptbeschäftigung, die im Gesamtbild überwiegt. Die anderen Beschäftigungen sind als Nebenbeschäftigungen klassifiziert. 

Bestehende Beschäftigungsverhältnisse und deren Art sollten Arbeitgeber vor der Einstellung erheben und sich von den Beschäftigten entsprechend schriftlich bestätigen lassen – z. B. im Rahmen eines Personalfragebogens.

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Mehrfachbeschäftigung aus Sicht der Sozialversicherung 

Mehrere nicht geringfügige Beschäftigungen werden zusammengezählt und sind versicherungspflichtig. Ein einziger parallel ausgeführter Minijob bleibt versicherungsfrei. Jeder weitere, später aufgenommene Minijob wird den versicherungspflichtigen Beschäftigungen zugerechnet. Werden ausschließlich geringfügige Beschäftigungen ausgeführt, bleiben diese versicherungsfrei, sofern die Geringfügigkeitsgrenze von 538 Euro (ab dem 01. Januar 2024) nicht überschritten wird. Andernfalls sind alle ausgeübten Beschäftigungen versicherungspflichtig.

Hinweis: Für Arbeitnehmer:innen besteht auch beim Minijob Urlaubsanspruch.

Krankenversicherungspflicht bei Mehrfachbeschäftigung

Zur Beantwortung der Frage, ob bei Aufnahme einer weiteren Beschäftigung Krankenversicherungspflicht besteht, müssen die Entgelte sämtlicher Hauptbeschäftigungen (inklusive der hinzuzurechnenden geringfügigen Beschäftigungen) summiert werden. Übersteigt das regelmäßige Jahresentgelt die Versicherungspflichtgrenze, läuft die Krankenversicherungspflicht zum Jahresende aus, sofern die Versicherungspflichtgrenze voraussichtlich auch im nächsten Kalenderjahr überschritten wird. 

Gut zu wissen: Auch ohne Krankenversicherungspflicht müssen in vielen Fällen Arbeitgeberzuschüsse zur Krankenversicherung gezahlt werden.

Die Versicherungspflichtgrenze für das Jahr 2023 beträgt 66.600 Euro (bzw. 59.850 Euro). Die Bundesregierung hat im Oktober 2023 die Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung für das Jahr 2024 beschlossen. Die Versicherungspflichtgrenze steigt 2024 auf 69.300 Euro.

Beitragsberechnung zur Krankenversicherung bei Mehrfachbeschäftigung

Wird durch das Zusammenrechnen der Entgelte die Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung überschritten, sind die betroffenen Arbeitgeber verpflichtet, die Beiträge anhand des Grenzwerts zu ermitteln und ins Verhältnis zum gezahlten Entgelt der einzelnen Beschäftigungen zu setzen. Die entsprechende Formel lautet pro Arbeitnehmer:in für jeden einzelnen Arbeitgeber:

Beitragsbemessungsgrenze x Entgelt der Beschäftigung / Entgelt aller Beschäftigungen = anzusetzendes Entgelt bei der Beitragsberechnung

Alle anzusetzenden Entgelte müssen als Prüfsumme der Beitragsbemessungsgrenze entsprechen. Dieses Verfahren gilt auch für weitere aufzuteilende Beträge, wie z. B. den Beitragszuschuss des Arbeitgebers zur Krankenversicherung.

Die Werte der letzten Beitragsbemessungsgrenzen betragen: 

Jahr

Beitragsbemessungsgrenze West

Beitragsbemessungsgrenze Ost

2024

7.550 Euro

7.450 Euro

2023

7.300 Euro

7.100 Euro

2022

7.050 Euro

6.750 Euro

2021

7.100 Euro

6.700 Euro

Praxistipp: Für den Fall, dass Ihnen Arbeitnehmende eine bestehende Mehrfachbeschäftigung nicht angezeigt haben, meldet Ihnen die Krankenkasse nach Abgabe der Jahresmeldung die beitragspflichtigen Entgelte mit der Bitte um Abrechnungskorrektur.

Lohnsteuer bei Mehrfachbeschäftigung 

Zusätzliche Arbeitsverhältnisse werden grundsätzlich mit Steuerklasse VI abgerechnet. Eine Ausnahme existiert bei der ersten geringfügigen Beschäftigung, sofern sie als Minijob eingestuft werden kann und demnach nicht zur Haupttätigkeit gerechnet wird. Die Abrechnung kann pauschal mit 2 Prozent Lohnsteuer erfolgen. Bei der Auswahl ist nur nach dem Zeitpunkt der Aufnahme und nicht nach der Höhe der Bezüge vorzugehen – es kann sich also unter bestimmten Voraussetzungen für ausgewählte Arbeitnehmer:innen lohnen, den Minijob zu kündigen.

Beziehen Arbeitnehmer:innen im ersten Arbeitsverhältnis nur einen geringen Lohn, können nicht ausgeschöpfte Freibeträge auf eine zweite Beschäftigung übertragen werden. Dies hat zum Vorteil, dass die Lohnsteuerabzüge sofort Berücksichtigung finden und nicht erst am Jahresende als Auszahlung vom Finanzamt bei der oder dem Arbeitnehmenden ankommen. Den nicht ausgeschöpften Betrag ermittelt das zuständige Finanzamt auf Antrag des oder der Arbeitnehmenden.

Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen 

Arbeitnehmer:innen dürfen grundsätzlich eine Nebenbeschäftigung aufnehmen. Ausnahmen bestehen unter anderem in folgenden Fällen:

  • Die Nebenbeschäftigung darf die betrieblichen Belange des bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht beeinträchtigen. Die Aufnahme einer Nebentätigkeit bei einem zum Arbeitgeber in Konkurrenz stehenden Unternehmen darf demnach verboten werden. Informiert der oder die Arbeitnehmende den Arbeitgeber nicht über eine Aufnahme einer solchen Nebentätigkeit, ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt.

  • Die Nebenbeschäftigung darf die Effektivität der Arbeitnehmenden in ihrer Hauptbeschäftigung nicht einschränken. Ebenso darf sich die Nebentätigkeit nicht mit der Arbeitszeit der Hauptbeschäftigung überschneiden. Zusätzlich ist die Deckelung der regelmäßigen Höchstarbeitszeit bei 48 Stunden pro Woche zu beachten.

  • Durch Aufnahme einer Nebenbeschäftigung dürfen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestruhezeiten nicht beschnitten werden. Die Ruhezeit zwischen zwei Arbeitseinsätzen ist mit elf Stunden angesetzt.

  • Der Erholungsurlaub darf nicht zum Arbeiten genutzt werden. Ausnahmen bestehen, wenn Arbeitnehmer:innen nachweisen können, dass die Nebenbeschäftigung für einen erfolgreichen Ausgleich sorgt und eine gleichwertige Erholung bewirkt. 

Arbeitsvertragliche Klauseln hinsichtlich eines pauschalen Nebenbeschäftigungsverbots sind unwirksam. Klauseln im Rahmen der obigen Ausnahmen sind zulässig, wenn der Arbeitgeber deren Notwendigkeit nachweisen kann. Ebenso zulässig ist die Klausel, dass die Aufnahme einer Nebentätigkeit dem Arbeitgeber gemeldet werden und dieser zustimmen muss. Die Zustimmung darf nur bei überwiegenden Interessen verweigert werden.

Krankmeldung bei Mehrfachbeschäftigung

Erkranken Mehrfachbeschäftigte, müssen sie dies dem Arbeitgeber oder der zuständigen Stelle unverzüglich mitteilen. Dauert die Erkrankung länger als drei Kalendertage an, ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz: AU-Bescheinigung oder AU) vorzulegen – und zwar bei jedem einzelnen Arbeitgeber, bei dem aufgrund der Erkrankung eine ausstehende Arbeitsleistung nicht erbracht werden kann

Praxistipp: In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag kann die Anzahl der Tage, bis eine AU-Bescheinigung vorzulegen ist, individuell festgelegt werden.

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Änderungen bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Mit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz: eAU) ist es im Rahmen des Antrags auf Erstattung beim Umlageverfahren U1 nicht mehr nötig, die AU-Bescheinigungen von gesetzlich Versicherten der zuständigen Krankenkasse zur Verfügung zu stellen. Dies übernehmen bereits die ausstellenden Ärzte. 

Ab dem 01. Januar 2023 sind Arbeitgeber allerdings dazu verpflichtet, die AU-Daten über das Abrechnungsprogramm elektronisch von den zuständigen gesetzlichen Krankenkassen abzurufen (bei Minijobs ist nicht die Minijob-Zentrale, sondern die Krankenkasse zuständig). Gleichzeitig entfällt die Verpflichtung des Arbeitnehmenden zur Vorlage der AU-Bescheinigung. Liegen für den Zeitraum des eAU-Abrufs keine Daten vor, ist die Krankenkasse für die nächsten 14 Tage dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber proaktiv neu eingehende Daten für den abgerufenen Zeitraum zur Verfügung zu stellen.

Bei Mehrfachbeschäftigung sind Arbeitgeber zu einem eAU-Abruf befugt, sofern der oder die Arbeitnehmende …

  • gesetzlich versichert ist,

  • sich zum fraglichen Zeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitgeber befindet,

  • den Arbeitgeber über die abzurufende AU-Bescheinigung und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit informiert hat. 

Die Regelungen zum eAU-Verfahren gelten nicht:

  • für privat Versicherte

  • für Minijobber:innen im Privathaushalt

  • bei nicht abruffähigen Fehlzeiten wie Reha-Zeiten

  • bei Störfällen in der digitalen Übermittlung des ausstellenden Arztes

  • bei Feststellung durch einen Arzt, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt

  • bei Feststellung durch einen Arzt im Ausland

In diesen Fällen wird weiterhin eine reguläre AU-Bescheinigung ausgestellt, die beim Arbeitgeber eingereicht werden muss.

Hinweis: Arbeitnehmer:innen dürfen auch vor dem Auslaufen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitsplatz zurückkehren. Dabei ist es für Mehrfachbeschäftigte zulässig, nur eine Beschäftigung wieder aufzunehmen – z. B. kann mit einem gebrochenen Bein der reine Bürojob gegebenenfalls weitergeführt werden, aber eine parallele Beschäftigung als Paketzusteller:in nicht. Reicht ein:e Arbeitnehmer:in dagegen die AU-Bescheinigung ein, nur um einer anderen Beschäftigung nachgehen zu können, kann darin ein außerordentlicher Kündigungsgrund begründet liegen.

Mehrfachbeschäftigung bei einem Arbeitgeber

Mehrere Beschäftigungsverhältnisse beim selben Arbeitgeber sind in der Regel nicht möglich, da sie steuerlich und im Sinne der Sozialversicherung ein einziges Beschäftigungsverhältnis darstellen. 

FAQ Mehrfachbeschäftigung

Wann liegt eine Mehrfachbeschäftigung vor? 

Eine Mehrfachbeschäftigung liegt vor, wenn ein:e Arbeitnehmer:in bei mehreren unterschiedlichen Arbeitgebern beschäftigt ist. Dies ist gegeben, wenn es sich bei den beiden Arbeitgebern nicht um dieselbe juristische oder natürliche Person handelt.

Wer muss eine Mehrfachbeschäftigung melden?

Arbeitgeber mussten bislang bei der Meldung eines neuen Angestellten angeben, ob es sich um eine Mehrfachbeschäftigung handelt. Da dies häufig zu Falschmeldungen führte und dieser Umstand auch auf andere Art und Weise festgestellt werden kann, ist die Meldepflicht seit dem 01. Januar 2021 entfallen. Das zugehörige Feld wurde entfernt. Eine Mehrfachbeschäftigung muss der Krankenkasse nicht gemeldet werden.

Müssen Arbeitnehmende ihre Arbeitgeber über weitere Beschäftigungen informieren?

Arbeitnehmer:innen sind gesetzlich dazu verpflichtet, sämtliche Arbeitgeber über alle Beschäftigungsverhältnisse aufzuklären. Nur durch Angabe aller erforderlichen Daten sind die Arbeitgeber befähigt, das Beitrags- und Meldeverfahren korrekt durchzuführen

Dürfen Arbeitgeber Nebenjobs verbieten?

Grundsätzlich nicht; pauschale Verbotsklauseln sind unwirksam. Stehen der Aufnahme einer Nebentätigkeit jedoch triftige Gründe entgegen und überwiegen diese den Nutzen für die Arbeitnehmenden, sind spezifische Verbote und Verbotsklauseln möglich.

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