Sonderurlaub: Wann Mitarbeiter Anspruch haben

Vier Hochzeiten und ein Todesfall: Für Personalmanager mit einem Stapel von Sonderurlaubsanträgen auf dem Schreibtisch, klingt der Titel der britischen Filmkomödie wohl eher wie ein Gruselfilm. Doch kein Grund in Panik auszubrechen: Wir verraten, was es mit dem Sonderurlaub auf sich hat und welche Situationen einen Sonderurlaub rechtfertigen können.
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Inhalt
- 1Was bedeutet eigentlich „Sonderurlaub‟?
- 2Voraussetzungen für Sonderurlaub
- 3Fall 1: Sonderurlaub bei familiären Ereignissen
- 4Fall 2: Sonderurlaub bei Umzug
- 5Fall 3: Sonderurlaub bei Arztbesuch des Mitarbeiters
- 6Fall 4: Sonderurlaub bei Erkrankung und Pflege von Familienangehörigen
- 7Fall 4: Sonderurlaub bei Erkrankung der Kinder
- 8Abdingbarkeit von § 616 BGB
- 9Vereinbarung von Sonderurlaub
Wie hoch der Anspruch Ihrer Mitarbeiter auf jährlichen (Erholungs-)Urlaub ist, ist grundsätzlich im Arbeitsvertrag geregelt. Der gesetzliche Mindesturlaub bei einer 5-Tage-Woche beträgt 20 Arbeitstage. Häufig wird darüber hinaus noch ein zusätzlicher (Erholungs-)Urlaub vom Arbeitgeber gewährt. In verschiedenen Fällen kann beziehungsweise muss aber zusätzlich ein sogenannter Sonderurlaub gewährt werden, der vom gesetzlichen bzw. vom zusätzlich vom Arbeitgeber gewährten Erholungsurlaub zu unterscheiden ist.
Was bedeutet eigentlich „Sonderurlaub‟?
Sonderurlaub ist kein Begriff, den Sie im Gesetzbuch finden. Vielmehr handelt es sich um eine umgangssprachliche Formulierung mit variierenden Bedeutungen.
Gemeint ist mit Sonderurlaub in der Regel eine der Fallgruppen, in denen das deutsche Arbeitsrecht eine Ausnahme von dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn" macht und damit den Arbeitgeber zur Entgeltzahlung verpflichtet, obwohl der Arbeitnehmer nicht arbeitet.
Sonderurlaub, so wie er hier verstanden wird, ergibt sich aus der Bestimmung des § 616 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und stellt eine besondere Form der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers darf.
Voraussetzungen für Sonderurlaub
616 BGB sieht die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Entgelts unter bestimmten Voraussetzungen vor. Nach dem Wortlaut des § 616 Satz 1 BGB bleibt der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers immer dann erhalten, wenn der Arbeitnehmer “für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist.”
616 BGB listet dabei aber nicht ausdrücklich auf, wann der Arbeitgeber zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet ist. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat sich allerdings eine Reihe von Fällen herausgebildet, in denen die Anwendung des §616BGB grundsätzlich einheitlich beurteilt wird. In diesen Fällen kann man also von einer Pflicht des Arbeitgebers zur Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung des Entgelts ausgehen.
Hierzu zählen Situationen wie
familiäre Ereignisse, bei denen die Anwesenheit des Mitarbeiters als unbedingt erforderlich angesehen wird
persönliche Unglücksfälle wie zum Beispiel ein Brand in der Wohnung oder ein Verkehrsunfall
Natürlich sind auch andere Fälle vorstellbar, in denen Mitarbeiter einen Anspruch auf den sogenannten Sonderurlaub geltend machen können, da diese Fälle keinesfalls abschließend sind. Es ist daher immer eine Prüfung im Einzelfall erforderlich.
Fall 1: Sonderurlaub bei familiären Ereignissen
Bei folgenden familiären Ereignissen hat der Mitarbeiter grundsätzlich nach der Rechtsprechung Anspruch auf Sonderurlaub:
die eigene Hochzeit,
die Eintragung einer Lebenspartnerschaft nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG),
die Hochzeit der Kinder und die Wiederverheiratung eines Elternteils,
die goldene Hochzeit der Eltern,
die Geburt des eigenen Kindes,
Begräbnisse im engen Familienkreis (Eltern, Kinder und Geschwister).
Fall 2: Sonderurlaub bei Umzug
Ob der Umzug des Mitarbeiters einen Fall gemäß § 616 BGB darstellt, ist umstritten. Sonderurlaub wird in der Regel gewährt, wenn der Umzug aus betrieblichen Gründen erfolgt, das heißt wenn der Mitarbeiter für den Arbeitgeber umzieht. Bei einem Umzug aus rein privaten Gründen besteht in der Regel kein Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts.
Fall 3: Sonderurlaub bei Arztbesuch des Mitarbeiters
Nach der Rechtsprechung muss ein Arbeitgeber nur dann Sonderurlaub nach §616 BGB gewähren, wenn der Arbeitnehmer dringende und konkrete Beschwerden hat und eine unmittelbare ärztliche Versorgung notwendig ist.
Allgemeine Untersuchungstermine beziehungsweise Behandlungstermine des Arbeitnehmers fallen nicht unter § 616 BGB. Der Mitarbeiter ist grundsätzlich verpflichtet, Arztbesuche außerhalb der Arbeitszeit vereinbaren, sofern dies möglich und zumutbar ist.
Ausnahme: Etwas anderes gilt, wenn ein Arztbesuch aus konkreten Gründen gerade während der Arbeitszeit notwendig ist, zum Beispiel wenn eine Blutabnahme im nüchternen Zustand erforderlich ist und der behandelnde Arzt erst zu einer Zeit öffnet, die schon in die Arbeitszeit des Mitarbeiters fällt.
Fall 4: Sonderurlaub bei Erkrankung und Pflege von Familienangehörigen
Auch wenn Familienangehörige krank werden und dadurch deren Pflege notwendig wird, kann sich ein Mitarbeiter im Einzelfall unter Fortzahlung des Entgelts nach § 616 BGB freistellen lassen. Die Pflege von Familienangehörigen gilt in der Regel als ein persönlicher Hinderungsgrund des Mitarbeiters.
Welche Familienangehörigen die Regelung zum Sonderurlaub umfasst, ist jedoch umstritten. Der Arbeitgeber muss im Einzelfall abwägen und entscheiden.
Er muss prüfen, ob es dem Mitarbeiter im konkreten Fall unzumutbar ist, seiner Arbeitsleistung nachzukommen, obwohl ein Familienangehöriger erkrankt ist. Besteht zwischen dem Mitarbeiter und dem Familienangehörigen beispielsweise eine „besondere Nähebeziehung‟, die nicht nur auf räumlicher Nähe basiert? Ist der Familienangehörige zudem konkret auf die Hilfe und Pflege des Mitarbeiters angewiesen, weil keine geeignete Betreuungsperson zur Verfügung steht?
Achtung: Sollte eine anderweitige Versorgung, etwa durch eine außerhalb des Haushalts lebende Person, möglich und zumutbar sein, muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter auch nicht unter Fortzahlung des Entgelts freistellen.
Welche erkrankten Familienangehörigen einen Sonderurlaub rechtfertigen, kann nicht nach Schema F aufgelistet werden.
Grundsätzlich fallen darunter jedoch
die Ehepartner und die Lebenspartner,
die Eltern und die Geschwister,
die eigenen Kinder.
Bei Kindern besteht eine zusätzliche Regelung.
Fall 4: Sonderurlaub bei Erkrankung der Kinder
Der Spezialfall für die bezahlte Freistellung von Mitarbeitern, deren Kinder erkrankt sind, ist in §45SGB V festgesetzt. Bis das Kind zwölf Jahre alt ist, ist eine Erkrankung in aller Regel ein persönlicher Leistungshinderungsgrund für beide Elternteile.
Sind beide Eltern berufstätig, können sie selbst entscheiden, wer von ihnen die Pflege des erkrankten Kindes übernimmt. Wenn nur ein Elternteil arbeitet, muss der nicht berufstätige Elternteil die Pflege übernehmen, da dann die Freistellung des berufstätigen Elternteils in der Regel nicht nötig und daher dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist.
45 SGB V gibt dem Arbeitnehmer einen Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auf Krankengeld und einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld.
Doch mit steigendem Alter des Kindes nimmt die Notwendigkeit der Pflege ab. Die Freistellung des Mitarbeiters unter Fortzahlung des Entgelts ist bei Kindern nach dem zwölften Lebensjahr so zu beurteilen, wie bei anderen Familienangehörigen auch.
Achtung: § 616 BGB ist vorrangig gegenüber der Regelung in § 45 SGB V, die einen bloßen Befreiungsanspruch darstellt. Ein Mitarbeiter kann auf § 45 SGB V nur dann zurückgreifen, wenn die Voraussetzungen von § 616 BGB nicht erfüllt sind oder sein Anspruch auf Sonderurlaub nach § 616 BGB für den bestehenden Fall nicht im Arbeitsvertrag abbedungen wurde.
Abdingbarkeit von § 616 BGB
Die Anwendung von § 616 BGB kann in einem Arbeits- oder Tarifvertrag bzw. einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich abgeändert oder ausgeschlossen werden.
Arbeitgeber, die die Ansprüche des Arbeitnehmers in dieser Hinsicht ausschließen wollen, können eine entsprechende Formulierung in den Arbeitsvertrag aufnehmen. Bezüglich der konkreten Formulierung ist allerdings Vorsicht geboten. Denn umstritten ist, inwieweit der Ausschluss im Rahmen der einzelnen Vereinbarungen möglich ist. So geht die Rechtsprechung zum Beispiel davon aus, dass ein vollständiger Ausschluss von § 616 BGB durch eine Klausel in einem Formulararbeitsvertrag den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist.
Grundsätzlich gilt: Je konkreter der Ausschluss einzelner Ereignisse vereinbart wird, desto eher ist eine Ausschlussklausel wirksam.
Vereinbarung von Sonderurlaub
Neben den oben genannten Fällen des § 616 BGB kann Sonderurlaub auch in Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen oder auch individuell zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden.
Weil Vertragsfreiheit besteht, sind die jeweiligen Parteien in diesem Rahmen frei, für welche Anlässe und Dauer Sonderurlaub vereinbart werden kann.
Die Möglichkeit, Sonderurlaub zu beantragen, kann für den Arbeitnehmer z. B. an die Dauer des Arbeitsverhältnisses (bspw. Jubiläumsurlaub oder Treueurlaub) oder auch an bestimmte Ereignisse (bspw. Geburtstag des Arbeitnehmers, Faschingsdienstag) geknüpft sein.
Wenn eine Betriebsvereinbarung, ein Tarifvertrag oder der Arbeitsvertrag eine spezielle Regelung zum Sonderurlaub enthält, dann geht diese Regelung der allgemeinen gesetzlichen Regelung des § 616 BGB vor.
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