Ist Arbeitszeiterfassung Pflicht? Das müssen Sie wissen

Arbeitszeiterfassung wird Pflicht in Deutschland

Laut einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom September 2022 sind Unternehmen verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu dokumentieren. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom April 2023 schafft nun zusätzliche Rechtssicherheit: Er beschreibt einen strengen Rahmen, in dem Arbeitszeiten täglich und elektronisch erfasst werden sollen.

Rechtsanwältin Sarah Klachin von Pinsent Masons gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Elektronische Zeiterfassung ab 2023 Pflicht: Der Überblick

  • Anfang, Ende und Dauer der Arbeitszeit sollen täglich und elektronisch erfasst werden. Ausnahmen gibt es für Tarifparteien.

  • Die Arbeitszeiterfassung können Arbeitgeber an die Arbeitnehmer:innen delegieren. Sie müssen jedoch die tatsächliche und korrekte Arbeitszeiterfassung sicherstellen.

  • Nachweise über die erfasste Arbeitszeit müssen Unternehmen im Inland und in deutscher Sprache bereithalten. Die Aufbewahrungspflicht für die Aufzeichnungen beträgt im Grundsatz zwei Jahre. .

  • Eine flexible Arbeitsweise auf Vertrauensbasis bleibt möglich, jedoch müssen Zeiten ab sofort auch bei Vertrauensarbeitszeit erfasst werden.

  • Arbeitnehmer können auf Anfrage eine Auskunft über die aufgezeichnete Arbeitszeit vom Arbeitgeber erhalten.

  • Der aktuellen Referentenentwurf gilt als Startschuss für das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes. Obwohl Änderungen noch möglich sind, tritt das finale Gesetz erwartungsgemäß noch im Jahr 2023 in Kraft.

Ab wann gilt die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung?

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht gemäß der Rechtsprechung des BAG schon jetzt. Darauf verweist der Referentenentwurf ebenfalls ausdrücklich. Für die elektronische Erfassung der Arbeitszeit gelten jedoch weiche Übergangsfristen.

Fristen zur Umstellung auf elektronische Arbeitszeiterfassung:

  • 1 Jahr ab 250 Mitarbeitenden

  • 2 Jahre bei weniger als 250 Mitarbeitenden

  • 5 Jahre bei weniger als 50 Mitarbeitenden

  • Zeiterfassung in Papierform weiterhin ausreichend bei 10 Mitarbeitenden und weniger

Was sind die Vorgaben zur digitalen Arbeitszeiterfassung?

§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet Arbeitgeber laut BAG, ein System nicht nur einzuführen, sondern auch ordnungsgemäß anzuwenden. Erfasst werden müssen demnach:

Das System zur Arbeitszeiterfassung muss laut Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs objektiv, verlässlich und zugänglich sein. 

Der Referentenentwurf verlangt hingegen, dass Anfang, Ende und Dauer der Arbeitszeit am selben Tag und elektronisch erfasst werden. Das heißt: Möglich sind elektronische Zeiterfassungssysteme oder elektronische Tabellen wie z. B. Excel. Die Erfassung mit Stift und Papier ist hiernach außerhalb der Ausnahmen nicht zulässig. Das BAG machte an die Form keine Vorgaben, der Referentenentwurf ist insoweit also strenger. 

Der Referentenentwurf schweigt hingegen dazu, wie mit Pausenzeiten oder zum Beispiel kurzzeitigen Tätigkeiten wie dem klassischen „kurzen“ Checken der dienstlichen E-Mails nach Feierabend, umzugehen ist.

Welche Pflichten haben Arbeitgeber bei der Zeiterfassung?

Es ist möglich, die Arbeitszeiterfassung an die Arbeitnehmer:innen zu delegieren. Allerdings reicht es nicht, Mitarbeitende nur anzuweisen, Arbeitgeber müssen auch dafür sorgen, dass das Arbeitszeiterfassungssystem tatsächlich und korrekt angewendet wird. Dafür sind regelmäßige Stichproben und Kontrollen durchzuführen. 

Arbeitszeiten einfach und sicher erfassen

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Wer muss Arbeitszeiten erfassen?

Grundsätzlich sind alle Arbeitnehmer:innen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betroffen. Einzig ausgenommen sind aktuell leitende Angestellte

Hier heißt es aufgepasst: Nicht jede Führungskraft ist automatisch leitende:r Angestellte:r. Ob dies zutrifft, muss ggf. im Einzelfall geprüft werden. 

Das muss ein System zur Arbeitszeiterfassung leisten

  • Die elektronische Erfassung von Arbeitszeiten auf täglicher Basis ermöglichen

  • Die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden gewährleisten

  • Gesetzliche Regeln zum Datenschutz einhalten

Nachdem das Bundesarbeitsgericht die Frage nach der manuellen oder elektronischen Zeiterfassung noch offengelassen hatte, sieht der Referentenentwurf eine digitale Dokumentation der Arbeitszeiten vor. Darunter fallen, wie bereits beschrieben, digitale Zeiterfassungssysteme, aber auch die Nutzung von Tabellen wie Excel. Nur für Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmenden soll die Erfassung der Arbeitszeit weiterhin in nicht-elektronischer Form ermöglicht werden.

In diesem Artikel finden Sie heraus, welches Arbeitszeiterfassungssystem zu Ihrem Unternehmen passt.

Personio Tipp

Zeiten müssen verlässlich und objektiv erfasst werden. Hier kann ein digitales Zeiterfassungssystem von Vorteil sein, das im Gegensatz zu Excel weniger fehleranfällig und manipulierbar ist.

Verpflichtende Arbeitszeiterfassung bei Betriebsrat und Tarifverträgen

Kurz gesagt: Bei der Frage, „ob“ ein System zur Zeiterfassung eingeführt wird, darf der Betriebsrat nicht mit entscheiden. Hingegen steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der konkreten Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems, also dem „Wie“ der Arbeitszeiterfassung, zu.

Zwar sieht der neue Gesetzentwurf zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung vor, dass Tarifpartner Ausnahmen vereinbaren dürfen: In diesem Fall könnte die Aufzeichnung von Arbeitsstunden in Papierform zulässig sein, ebenso ein Nachtrag der Stunden nicht am selben Tag. Aber: Dass Arbeitgeber und Betriebsrat beschließen, die Arbeitszeit für alle Angestellten nicht zu erfassen, ist aktuell ausgeschlossen. Eine Öffnung generell zugunsten von Betriebsvereinbarungen ist nicht vorgesehen.

Drohen Bußgelder bei Verstoß?

Arbeitgeber haben nach dem Entwurf die Pflicht, Arbeitszeiten elektronisch zu erfassen und zu dokumentieren. Was also, wenn es hier zu Unregelmäßigkeiten kommt? “Wer bisher gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gemäß den Ausführungen des BAG verstoßen hat, musste nicht unmittelbar mit Bußgeldern rechnen. Das soll sich nach dem Referentenentwurf ändern. Der Entwurf verlangt , dass Verstöße als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können – sie können also mit Bußgeldern von bis zu 30.000 Euro belegt werden”, so Rechtsanwältin Sarah Klachin.

Ist die Pflicht zur Zeiterfassung das Ende der Vertrauensarbeitszeit?

Vielen Unternehmen ist es wichtig, ihrer Belegschaft eine selbstbestimmte, flexible Arbeitsweise auf Vertrauensbasis zu ermöglichen. Das bleibt auch nach dem Referentenentwurf möglich.

Arbeitnehmer:innen können ihre Arbeitszeit weiterhin individuell gestalten, solange dabei der Arbeitsschutz gewährleistet ist. Bedeutet: Unternehmen müssen die gesetzlichen Regelungen zu Ruhepausen und -zeiten, Höchstarbeitszeiten und das Verbot von Arbeit an Sonn- und Feiertagen, wie schon bisher, beachten und deren Einhaltung kontrollieren – daran ändert sich nichts. Neu ist allerdings, dass auch bei Vertrauensarbeitszeit jetzt eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht.

Digitale Zeiterfassung: Was HR jetzt beachten muss

Auch wenn die ganz große Reform des Arbeitszeitgesetzes leider ausbleibt: Der Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung hat Klarheit zumindest im Hinblick auf einige Detailfragen geschaffen und macht die Umsetzung der Zeiterfassung für Unternehmen nun noch drängender. Denn es ist absehbar, dass das finale Gesetz noch 2023 in Kraft tritt. HR-Verantwortliche sollten weitere Entwicklungen beobachten, denn einige Fragen, etwa hinsichtlich der Pausenzeiten, sind aktuell noch offen. 

Und obwohl es nach der Umsetzung des Gesetzes eine Übergangsfrist gibt: Eine gute Vorbereitung zählt. So sollten Mitarbeitende rechtzeitig in puncto Arbeitszeiterfassung geschult werden, um Fehler schon von vornherein zu minimieren, rät Sarah Klachin. Denn die verpflichtende Zeiterfassung ist nur noch einen kleinen Schritt entfernt.

Sie möchten sich mit anderen Personaler:innen zu diesem Thema austauschen? Dann besuchen Sie unsere Personio Community und erhalten Sie Anregungen, wie andere Unternehmen mit dem neuen Referentenentwurf umgehen.

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