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Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Alle Infos
Der Mitarbeiter im Vertrieb hat sich krankgemeldet – schon wieder. Seine Fehlzeiten in den vergangenen zwölf Monaten haben stark zugenommen und summieren sich auf über sechs Wochen. Nach dieser Zeit muss HR handeln und laut Gesetz ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anbieten.
Alles, was Sie über BEM wissen müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Seit 2004 sind alle Arbeitgeber verpflichtet, länger erkrankten Beschäftigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) anzubieten – unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter im Betrieb. Das Gesetz gilt für alle Beschäftigten: Angestellte, außertariflich Angestellte, Beamte, befristet Beschäftigte, Aushilfskräfte, Auszubildende, Praktikanten, Werkstudierende und Teilzeitbeschäftigte. Ausnahme: Innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet.
Was ist Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)?
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein Verfahren aus dem HR Management mit dem Ziel, kranke Arbeitnehmer wieder in den Betrieb einzugliedern, ihre Fehlzeiten zu verringern, einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und bei langfristigen Erkrankungen den Arbeitsplatz des Mitarbeiters zu erhalten.
Daran angrenzend ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM), das die Gesundheit der Arbeitnehmer schützen soll.
Für Arbeitgeber rechnet sich BEM nicht nur, weil es die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten fördert. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es auch ein wichtiges Instrument, um das krankheitsbedingte Ausscheiden von Mitarbeitern zu verhindern. Die Betroffenen selbst soll BEM vor Arbeitslosigkeit oder Frühverrentung schützen.
Wann muss die Personalabteilung ein BEM anbieten?
Wenn ein Mitarbeiter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen am Stück oder wiederholt an insgesamt mehr als 42 Kalendertagen (30 Werktagen) arbeitsunfähig war, muss ein Arbeitgeber ein BEM anbieten.
Der Zeitpunkt für dieses Angebot hängt nicht davon ab, ob der betroffene Mitarbeiter noch krank oder bereits zur Arbeit zurückgekehrt ist. In den meisten Fällen wird die Frist während einer Arbeitsunfähigkeit (AU) erreicht.
Es spielt keine Rolle, ob hinter der AU eine oder mehrere verschiedene Krankheitsdiagnosen als Ursachen stecken. Unwichtig ist auch, ob jeder Krankheitstag durch ein Attest belegt ist oder nicht (zum Beispiel bis drei Werktage ohne Nachweispflicht durch eine ärztliche Bescheinigung). Zu den AU-Zeiten zählen ebenso Rehabilitationsmaßnahmen – nicht jedoch der Mutterschutz.
Fallbeispiele, in denen Sie ein BEM anbieten müssen:
Sarah M. hat sich einer Operation unterzogen und war nach dem Krankenhausaufenthalt von 11 Tagen über vier Wochen krankgeschrieben.
Marc K. hatte einen schweren Sportunfall, war sechs Wochen krankgeschrieben und befindet sich jetzt in der Reha.
Karin B. hat eine Tumorerkrankung. Der Arbeitgeber hat den Arbeitsplatz freigehalten und bietet bei der Rückkehr der Mitarbeiterin nach 15 Monaten ein BEM an.
Sebastian M. ist im laufenden Jahr dreimal für jeweils zwei Wochen arbeitsunfähig erkrankt, am Ende des Jahres nochmals für drei Tage. Insgesamt war er daher länger als sechs Wochen wiederholt arbeitsunfähig und wird zu einem BEM-Gespräch eingeladen.
Der Arbeitgeber entscheidet, ob und wann mit dem BEM begonnen wird. Denn es gibt trotz gesetzlicher Pflicht Fälle, in denen es sich erübrigt. Beispiel: Eine schwerwiegende Virusgrippe im Winter hat dazu geführt, dass mehrere Mitarbeiter über drei oder vier Wochen krankgeschrieben waren. Wenn nun einer von diesen auf Grund der Erkrankung seines Kindes noch mal zwei Wochen krankgeschrieben ist sowie weitere zwei Tage wegen einer Zahnoperation, ist ein BEM nicht erforderlich.
BEM Verfahren
Die Initiative für ein BEM liegt beim Arbeitgeber. Wie das Verfahren im Detail durchgeführt werden soll, ist gesetzlich nicht festgelegt. Aber es gibt einige Regeln und Erfahrungswerte für die ersten Schritte.
Wichtig ist, dass Sie den Mitarbeiter gründlich über die Ziele des BEM informieren, nämlich dass Sie mit ihm zusammen Wege suchen, ihn bei der Genesung und Wiedereingliederung zu unterstützen.
Informieren Sie ihn über die erhobenen und verwendeten Daten. Grundsätzlich gilt: Es sollte eine eigenständige BEM-Akte für den jeweiligen Mitarbeiter angelegt und diese gesondert von der eigentlichen Personalakte aufbewahrt werden. In der Personalakte dürfen nur die Ablehnung, Zustimmung und die getroffenen Maßnahmen vermerkt werden. Medizinische Daten in Zusammenhang mit BEM dürfen nicht in der Personalakte aufgenommen werden.
Es hat sich bewährt, bei mehrfach Kurzeiterkrankten unmittelbar bei Erreichen der Sechs-Wochen-Frist eine schriftliche Einladung zu einem BEM-Gespräch an die Privatadresse des Mitarbeiters zu senden.
Bei schwerwiegenden Langzeiterkrankungen (Depressionen, Tumorerkrankungen u.a.) sollten Sie nach mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit den Erstkontakt mit dem Mitarbeiter suchen und ihm ein BEM in Aussicht stellen, wenn er wieder auf dem Weg der Genesung ist.
Der Mitarbeiter kann sich allerdings gegen ein BEM entscheiden. Das Gesetz stellt klar, dass das BEM „mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person" durchzuführen ist. Daher geht nichts gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers.
Nach Zustimmung des betroffenen Mitarbeiters zum BEM findet das Gespräch mit dem BEM-Verantwortlichen statt. Dies kann ein Mitarbeiter der Personalabteilung sein oder ein anderer interner Verantwortlicher wird benannt. In mitbestimmten Betrieben ist die Beteiligung des Betriebsrats zwingend. Wenn im Betrieb keine betriebliche Interessenvertretung besteht, kann das Gespräch trotzdem stattfinden. Je nach Fall können zur Beratung des Teams weitere Experten hinzugezogen werden. Beispielsweise die Fachkraft für Arbeitssicherheit, Experten des Integrationsamts oder der Rehabilitationsträger (Krankenkasse, Rentenversicherung, Unfallversicherung, Agentur für Arbeit).
Wie sieht ein BEM Gespräch aus?
Bei schweren Erkrankungen des Mitarbeiters stellt sich die Frage nach dem aktuellen Gesundheitszustand. Auch die Frage, ob die Einsatzfähigkeit des Mitarbeiters voll wiederhergestellt oder eingeschränkt sein wird und wie sich dies auf seinen Arbeitsplatz auswirkt, muss angesprochen werden. Sprechen Sie mit dem Mitarbeiter darüber, welche Tätigkeiten er wie lange ausführen kann und ob körperliche oder psychische Einschränkungen vorliegen.
In der Regel liegt bei Langzeiterkrankten eine Empfehlung des Arztes vor, die im Entlassbericht festgehalten wird und Empfehlungen zum Thema Arbeitswiederaufnahme enthält (siehe Punkt stufenweise Wiedereingliederung).
Bei häufigen Kurzerkrankungen steht die Frage nach den Ursachen im Vordergrund. Dabei sollten mögliche betriebliche Ursachen (beispielsweise Art der Arbeit, Konflikte im Team oder mit Vorgesetzten) thematisiert werden, aber auch die persönlichen Lebensumstände des Beschäftigten. So ist es denkbar, dass Alleinerziehende oder Mitarbeiter, die Angehörige pflegen, besonders belastet sind.
Um gemeinsame Lösungen zu finden, kann es sinnvoll sein, auch sehr persönliche Fragen zu Krankheitsdiagnosen, Krankheitsfolgen oder Problemen im familiären Umfeld zu besprechen, wenn sich dies auf die Arbeitsfähigkeit auswirkt. Das kann nur dann gelingen, wenn der Rahmen, in dem solche Dinge besprochen werden, geschützt ist – vor allem datengeschützt.
Das Krankenrückkehrgespräch
Krankenrückkehrgespräche sind nicht gesetzlich vorgeschrieben, dennoch sind sie in der Praxis weit verbreitet. Wird der Arbeitnehmer zu einem solchen Gespräch gebeten, muss er dem nachkommen. Existiert ein Betriebsrat, darf der Arbeitnehmer ein Betriebsratsmitglied zum Gespräch hinzuziehen. Nicht selten haben Krankenrückkehrgespräche ein negatives Image im Betrieb. Deshalb ist es gerade bei BEM-Gesprächen wichtig, die Ziele klar zu kommunizieren. Das betriebliche Eingliederungsmanagement dient nicht in erster Linie der Erstellung einer Gesundheitsprognose, sondern der aktiven Unterstützung des Mitarbeiters bei seiner Genesung und der Rückkehr an den Arbeitsplatz.
BEM Maßnahmen
Sind die Art und Umstände der Erkrankung/en geklärt, können Sie den Mitarbeiter unterstützen, beispielsweise durch
Beschaffung oder Einsatz von technischen Hilfsmitteln am Arbeitsplatz (beispielsweise bei Rückenerkrankungen, nach Arbeitsunfällen u.a.),
Veränderungen am Arbeitsplatz (z. B. Licht- und Geräuschverhältnisse anpassen, bei Konflikten Mediator einschalten, mit Vorgesetzten über einen anderen Aufgabezuschnitt sprechen),
Anpassung der Arbeitszeiten durch eine stufenweise Wiedereingliederung
Tätigkeitswechsel, wenn aufgrund der Erkrankung ein Einsatz am alten Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Dann muss über eine alternative Tätigkeit nachgedacht werden. Braucht der Mitarbeiter dafür eine entsprechende Qualifizierung, sollte zur Kostenübernahme der zuständige Rehabilitationsträger eingebunden werden.
Die stufenweise Wiedereingliederung
In der Praxis am häufigsten genutzt ist die stufenweise Wiedereingliederung. Der Arzt stimmt mit seinem Patienten einen Eingliederungsplan (auch Stufenplan nach dem Hamburger Modell genannt) ab. Die ärztliche Bescheinigung muss den Wiedereingliederungsplan (wie viele Stunden am Tag, über welchen Zeitraum und welche Besonderheiten gibt es) und eine Prognose über den Zeitpunkt enthalten, zu dem die Arbeitsfähigkeit wieder voll erlangt ist. Die Arbeitsaufnahme kann auf diesem Weg mit wenigen Stunden täglich beginnen und stufenweise bis zur vollen Arbeitszeit gesteigert werden. Die Dauer der Maßnahme liegt im Regelfall zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten. Die Zustimmung des Arbeitgebers und der Krankenkassen ist vor Beginn der Maßnahme erforderlich.
Die Beschäftigten können selbst entscheiden, ob sie das Angebot annehmen. Dafür ist eine schriftliche Zustimmung erforderlich. Eine Ablehnung hat keine negativen Folgen – auch nicht für die weitere Zahlung des Kranken- oder Übergangsgeldes bis zur Genesung.
Die Wiedereingliederung wird durch regelmäßige ärztliche Untersuchungen begleitet. Soweit erforderlich kann der Stufenplan im Verlauf dem Gesundheitszustand des Beschäftigten angepasst, verlängert, verkürzt oder abgebrochen werden.
Beschäftigte beziehen während der stufenweisen Wiedereingliederung Krankengeld der gesetzlichen Krankenkassen oder Übergangsgeld der gesetzlichen Rentenversicherung, sie gelten auch in dieser Zeit als arbeitsunfähig.
Was passiert, wenn Arbeitgeber kein BEM anbieten?
Wenn es zu einer Kündigung wegen Krankheit kommt, ohne dass zuvor ein BEM angeboten wurde, wird das zuständige Arbeitsgericht von der Vermutung ausgehen, dass diese Kündigung nicht das letzte Mittel darstellt. Sie als Arbeitgeber müssen beweisen, dass ein BEM – wenn es stattgefunden hätte – keine Verbesserung der Situation gebracht hätte und damit eine Kündigung von vornherein unvermeidbar war. Daher ist für Gerichte in der Regel eine krankheitsbedingte Kündigung ohne BEM unverhältnismäßig und wird meistens zurückgewiesen.
Erfolgsfaktoren für ein BEM
Das betriebliche Eingliederungsmanagement kann nur gelingen, wenn der Mitarbeiter den beteiligten Personen und dem Verfahren vertraut. Daher muss das Datenschutzkonzept glaubwürdig vermittelt werden. Zudem sollte der interne Ansprechpartner Empathiefähigkeit mitbringen und auch in der Lage sein, Führungskräfte von den gefundenen betrieblichen Lösungen zu überzeugen. Keinesfalls sollte es der Vorgesetzte sein, der Eigeninteressen verfolgt.
Idealerweise kommunizieren Sie das Thema BEM regelmäßig im Unternehmen (Intranet, Mitarbeiterversammlung u.a.) unabhängig von konkreten Krankheitsfällen. Je aufgeklärter die Mitarbeiter sind, umso geringer sind im Fall des Falles die Bedenken. Und umso eher können Sie Mitarbeiter im Betrieb halten, die nach einer längeren Krankheitsphase wieder den Anschluss an die Arbeitswelt finden wollen.
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