Schwerbehindertengesetz: Die wichtigsten Regelungen

Mitarbeiter arbeiten konzentriert im Schaufenster

Für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt sorgt in Deutschland das Schwerbehindertengesetz. Es gibt Unternehmen einen rechtlichen Rahmen vor und unterstützt in Form von Fördermitteln, wenn Firmen Schwerbehinderte integrieren. Erfahren Sie, worauf Sie als Arbeitgeber achten müssen und wann eine Ausgleichszahlung fällig wird.

In Deutschland leben ca. 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen, wovon viele nicht mehr in Arbeit sind. Behinderungen treten nämlich insbesondere bei älteren Menschen auf (ein Drittel sind 75 Jahre und älter; 44 Prozent zwischen 55 und 74 Jahren).

Inklusion auf dem Arbeitsmarkt funktioniert hierzulande gut – und immer besser. Laut Inklusionslagebarometer geht die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung als auch die der Schwerbehinderten stetig zurück. Solche Trends liegen am Engagement des Staates und am Umsetzungswillen der Arbeitgeber. Wichtige Weichen stellt zum Beispiel das Schwerbehindertengesetz, das alle Unternehmen in Deutschland betrifft.

1. Was regelt das Schwerbehindertengesetz?

Von 1953 bis 2001 regelte das Schwerbehindertengesetz (SchwbG) grundlegende Bereiche des Schwerbehindertenrechts in Deutschland. Es umfasste Aspekte wie die Feststellung des Behindertengrades, den Kündigungsschutz für Behinderte und verpflichtete Arbeitgeber zur Beschäftigung von Schwerbehinderten. Seit 2001 regelt das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen die Schwerbehindertenrechte.

Ar­beit­ge­ber dürfen behinderte und schwerbehinderte Menschen, so schreibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, nicht aufgrund ih­rer Be­hin­de­rung be­nach­tei­li­gen. Konkret bringt das ein Verbot von Dis­kri­mi­nie­rung (schwer-) ­be­hin­der­ter Men­schen mit sich.

Eine Benachteiligung müssen Sie als Arbeitgeber ausschließen bei

  • der Ein­stel­lung

  • der Durchführung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses

  • der Förderung (Auf­stieg des Beschäftigten),

  • der Be­en­di­gung der Beschäftigung

1.1. Ab wann liegt eine Schwerbehinderung vor?

Ei­ne Be­hin­de­rung kann unterschiedlich stark ausfallen. Gemessen wird sie in Zeh­ner­schrit­ten auf einer Ska­la von 1 bis 100 (sehr schwe­re Be­hin­de­rung).

Ab ei­nem Grad der Be­hin­de­rung von 20 spricht man von ei­ner „Be­hin­de­rung“, ab 50 oder mehr von “Schwerbehinderung”. Ermittelt und anerkannt wird sie durch ärzt­li­che Un­ter­su­chun­gen. Wer schwerbehindert ist, bekommt ei­nen Schwer­be­hin­der­ten­aus­weis.

2. Wie viele Schwerbehinderte muss ein Arbeitgeber beschäftigen?

Unternehmen (privat wie öffentlich-rechtlich), die 20 Mitarbeiter oder mehr haben, müssen mindestens 5 Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen.

Neben Schwerbehinderten schließt das Gesetz gleichgestellte Menschen ein (mehr dazu siehe unten im Text). Auch behinderte Menschen in Teilzeitarbeit mit einem wöchentlichen Mindestumfang von 18 Stunden fallen darunter.

Beschäftigt ein Unternehmen weniger oder keine behinderten Menschen, muss es für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz einen monatlichen Ausgleich an das zuständige Integrationsamt zahlen.

Wie hoch diese so genannte Ausgleichsabgabe je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz ausfällt, variiert je nach Größe des Unternehmens.

So viel müssen Unternehmen monatlich zahlen, wenn sie keine oder zu wenige Schwerbehinderte beschäftigen:

  • 125 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 3 bis < 5 Prozent

  • 220 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 2 bis < 3 Prozent

  • 320 Euro bei einer Beschäftigungsquote von < 2 Prozent

Auflage für kleinere Betriebe

Unternehmen mit weniger als 40 Arbeitsplätzen müssen nur einen schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Sollten sie dem nicht nachkommen, dann fällt je Monat 125 Euro an.

Firmen, die über weniger als 60 Arbeitsplätze verfügen, müssen zwei Pflichtarbeitsplätze besetzen; sie zahlen, wenn sie nur eine solche Person beschäftigen 125 Euro; wenn sie keine Person beschäftigen 220 Euro.

Mit den Geldern aus der Ausgleichsabgabe werden Zwecke gefördert, deren Ziel es ist, Behinderte am Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Das kann heißen, das Geld fließt zurück an solche Unternehmen, die Behinderte fördern, oder das Geld geht an Institutionen, die sich um die Integration schwerbehinderter Menschen kümmern.

3. Schwerbehindertengesetz: Pflichten für Arbeitgeber

Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer, die schwerbehindert sind, in keiner Phase des Berufsalltags diskriminieren. Das gilt fürs Rekrutieren genauso wie für den Arbeitsalltag.

Durch ausgewählte Maßnahmen muss ein Arbeitgeber schwerbehinderten Mitarbeitern ermöglichen, so lange wie möglich und Behindertengerecht arbeiten zu können.

3.1. Das muss der Arbeitsplatz bieten

Ein Arbeitgeber muss für schwerbehinderte Mitarbeiter sicherstellen:

  • dass sie ihre Fähigkeiten und Kompetenzen einsetzen und weiterentwickeln können

  • dass sie bei innerbetrieblichen Maßnahmen der Weiterbildung berücksichtigt werden

  • dass sie auch außerbetriebliche Maßnahmen der Weiterbildung wahrnehmen können

  • dass der Arbeitsplatz in einer Art gestaltet und ausgestattet ist, dass der Betroffene optimal arbeiten kann

  • dass Arbeitsumfeld, Prozesse und Rahmenbedingungen wie Arbeitszeit auf die Behinderung abgestimmt sind

3.2. Anspruch auf Teilzeit

Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer hat Anspruch auf Teilzeit, wenn die Art oder Schwere der Behinderung eine kürzere Arbeitszeit erforderlich machen.

Wenn Arbeitgeber die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen fördern, dann erhalten sie Unterstützung von den Integrationsämtern.

4. Einstellung von Schwerbehinderten – darauf muss der Ar­beit­ge­ber achten

Ein Arbeitgeber hat die Pflicht zu prüfen, ob offene Stellen mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, vor allem mit Menschen, die bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind.

Wenn Sie als Arbeitgeber die Agentur für Arbeit kontaktieren, dann schlägt diese (oder ein Integrationsfachdienst) geeignete schwerbehinderte Menschen vor. Auch bei der Suche nach schwerbehinderten Akademikerinnen und Akademikern unterstützt die Arbeitsagentur Unternehmen.

Kandidaten, die Ihnen vorgeschlagen werden, müssen Sie Ihrer Schwerbehindertenvertretung melden.

Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung

Sie ver­tritt die In­ter­es­sen der schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mer im Unternehmen und be­steht aus ei­ner Ver­trau­ens­per­son + Stell­ver­tre­ter/in. Unternehmen, die mindestens fünf schwer­be­hin­der­te Men­schen beschäftigen, benötigen eine Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung; ebenso Unternehmen ab einer Größe von 100 Arbeitnehmern mit mindestens fünf Pro­zent schwer­be­hin­der­ten Angestellten.

Unterlässt der Ar­beit­ge­ber eine Prüfung durch die Ar­beits­agen­tur und es be­wirbt sich ein schwer­be­hin­der­ter Stel­len­be­wer­ber ohne Erfolg auf eine besetzte Stelle, kann es zum Vorwurf der Dis­kri­mi­nie­rung und damit zu möglichen Schadensersatzpflichten kommen. Das ist nur der Fall, wenn der Bewerber die Schwerbehinderung von Anfang an offengelegt hat. Zudem kann es zu Bußgeldzahlungen kommen.

Darf man Mitarbeiter nach der Schwerbehinderung fragen?

Was, wenn Sie als Arbeitgeber vermuten, aber nicht wissen, dass/ob einer Ihrer Mitarbeiter/innen schwerbehindert ist. Dürfen Sie einfach fragen? Nein und ja. Nein im Be­wer­bungs­prozess und in den ers­ten sechs Mo­na­ten des Ar­beits­verhält­nis­ses; Ja nach Ab­lauf der ersten sechs Mo­na­ten. Immerhin müssen Sie es dann wissen um entsprechende Pflichten wie Gewährung von Zu­satz­ur­laub zu erfüllen.

5. Fördergelder für Arbeitgeber

Wenn Sie als Arbeitgeber behinderte Menschen beschäftigen, dann kann das mit Kosten verbunden sein, doch die bekommen Sie gestellt, zumindest für einige Maßnahmen.

Hier finden Sie einen Überblick der Finanzmittel, die Sie bei der Agentur für Arbeit beantragen können.

5.1. Eingliederungszuschuss

Verfügen Bewerber/innen (noch) nicht über die für den Job nötigen Kenntnisse, dauert die Einarbeitung womöglich länger als gewohnt. Vor diesem Hintergrund bezuschusst die Agentur für Arbeit diesen Prozess. Höhe und Dauer der Förderung sind individuell festzumachen. Informationen dazu finden Sie im Merkblatt Eingliederungszuschuss.

5.2. Kostenübernahme für Probebeschäftigung

Bis zu drei Monate können Sie Menschen mit Behinderungen Probearbeiten ermöglichen und dafür Gelder bekommen. Damit erhalten Kandidaten die Chance, Ihr Unternehmen kennen zu lernen und sich dort unter Beweis zu stellen.

5.4. Zuschuss zu Aus- oder Weiterbildung

Wenn Sie eine Aus- oder Weiterbildung eines behinderten Mitarbeiters ohne Förderung nicht ermöglichen können, dann können Sie über den Arbeitgeber-Service Zuschüsse beantragen.

5.5. Ausstattung des Arbeitsplatzes

Wenn Sie einen Arbeitsplatz für behinderte Mitarbeiter umbauen müssen oder besonderes technisches Equipment benötigen, dann können Sie auch hierfür Gelder bekommen; der technische Beratungsdienst der Agentur für Arbeit wählt zusammen mit Ihnen passende Arbeitsmittel aus.

6. Urlaubsanspruch bei Schwerbehinderung

Schwer­be­hin­der­te Mitarbeiter haben pro Ur­laubs­jahr An­spruch auf fünf Tage zusätz­li­chen Ur­laub. Arbeitnehmer, die we­ni­ger als fünf Ta­ge in der Wo­che tätig sind, zum Beispiel Teilzeitkräfte, erhalten an­tei­lig Mehr­ur­laub.

Was passiert mit Zusatzurlaub bei Krankheit?

Wenn ein behinderter Mitarbeiter wegen Krank­heit seinen Urlaub nicht nehmen kann, dann verfallen diese 15 Mo­na­te nach En­de des Be­zugs­zeit­raums. Demnach verfällt der Urlaubsanspruch eines Mitarbeiters erst am 31. März des übernächsten Kalenderjahres.

Diese Regel gilt für Arbeitnehmer ohne Behinderung gleichermaßen.

Bei schwer­be­hin­der­ten Men­schen wird auch der Zu­satz­ur­laub ma­xi­mal 15 Mo­na­te nach En­de des Ur­laubs­jah­res auf­recht er­hal­ten.

7. Auflagen für eine Kündigung von Schwerbehinderten

Schwer­be­hin­der­te und Gleich­ge­stell­te (siehe unten) sind nicht grundsätzlich unkünd­bar. Einen be­son­de­ren Schutz genießen Schwer­be­hin­der­te und Gleich­ge­stell­te beim Ver­fah­ren einer Kündigung.

So benötigt der Ar­beit­ge­ber, be­vor er ei­nem schwer­be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mer kündigt, die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes. Das Integrationsamt, auch Inklusionsamt genannt, kümmert sich um die Sicherung der Integration schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben. Pro Bundesland gibt es mehrere Integrationsämter.

Zudem muss der Ar­beit­ge­ber vor je­der Kündi­gung die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung (Definition siehe oben) be­tei­li­gen.

Die 6-Monatsfrist beim Kündigungsschutz

Ausgenommen von diesem be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz sind die ersten sechs Monate Beschäftigung. Diese Zeit müssen al­le Ar­beit­neh­mer zurück­le­gen, be­vor sie den Kündi­gungs­schutz in An­spruch neh­men können.

8. Gleichstellung mit Schwerbehinderung

Den Schwer­be­hin­der­ten sind bestimmte be­hin­der­te Menschen gleich­ge­stellt, sofern sie diese Kriterien erfüllen:

  • Ihr Grad der Be­hin­de­rung liegt zwischen 30 und we­ni­ger als 50.

  • Sie woh­nen in Deutsch­land oder sind dort beschäftigt.

  • Oh­ne Gleich­stel­lung würden sie kei­nen ge­eig­ne­ten Ar­beits­platz finden oder behalten.

  • Die Ar­beits­agen­tur hat die Gleich­stel­lung bestätigt.

Rechte von gleich­gestel­lten be­hin­der­ten Men­schen

Ob eine Gleich­stel­lung vorliegt, stellt die Bun­des­agen­tur für Ar­beit fest. Betroffene können dort einen Antrag auf Prüfung einreichen.

Die Rechtslage für gleichgestellte Behinderte ist anders:

  • Sie sind wie Schwer­be­hin­der­te vor ei­ner Kündi­gung durch den Ar­beit­ge­ber geschützt

  • Sie haben keinen An­spruch auf Zu­satz­ur­laub wie schwer­be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer

9. So integrieren Sie Schwerbehinderte

Wichtig ist, dass Ihre Belegschaft versteht, dass Inklusion und Diversität mehr heißt als viele Nationalitäten in einem Team vereinen. Es geht um Chancengleichheit und eine gesellschaftliche Aufgabe, für die sich jeder einzelne Mitarbeiter einsetzen sollte. Am besten Sie nehmen solche Grundsätze in Ihr Onboarding mit auf und geben auch Zahlen zu schwerbehinderten oder behinderten Kollegen heraus. Aufklärung ist wichtig, damit Mitarbeiter Sensibilität entwickeln können.

Auch die schwerbehinderten Kollegen sollen erfahren, dass Sie sich proaktiv für das Thema einsetzen. Beim Onboarding gilt es für diese Mitarbeitergruppe ein separates Programm aufzusetzen und gegebenenfalls Extra-Ressourcen (wie zum Beispiel Begleitpersonen oder Mentoren) zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus sollten Sie Führungskräfte befähigen und ermutigen, schwerbehinderte Mitarbeiter besonders zu fördern und ihnen eine Stimme zu geben, wenn es um Entscheidungen oder Teamentwicklungen geht. Das dient am Ende nicht nur Ihrer Reputation (Stichwort Corporate Social Responsibility), sondern bringt sie auch intern weiter: Denn Schwerbehinderte bringen andere Perspektiven mit und verlangt ihnen ab, sich neu auf Situationen einzustellen.

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