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Reverse Mentoring: Wenn Young Professionals zu Mentoren werden
Zu Berufsbeginn wird vielen jungen Menschen geraten, dass sie sich Mentoren suchen sollen – Personen, von denen sie lernen können und die ihre Entwicklung unterstützen. Doch auch Young Professionals haben wertvolles Wissen, das sie weitergeben können. Und genau da setzt Reverse Mentoring an: Berufseinsteiger werden selbst zu Mentoren.
Schaffen Sie mit diesem Leitfaden eine Kultur des Vertrauens.Definition: Was ist Reverse Mentoring?
Beim klassischen Mentoring bringt eine erfahrene Person einer jüngeren etwas bei. Genau andersherum ist es beim Reverse Mentoring. Bei diesem Konzept schlüpfen Berufseinsteiger in die Mentorenrolle. Sie vermitteln Personen mit mehr Berufserfahrung und höherer Hierarchiestufe ihr Wissen und unterstützen sie bei Fragen und Herausforderungen.
Um welche Themen kann es da gehen? Um Bereiche, bei denen junge Generationen den älteren etwas voraus haben bzw. mehr wissen, zum Beispiel:
Digitale Skills: Die Entwicklungen der Digitalisierung sind unglaublich schnell. Ständig werden neue Technologien entwickelt und frische Plattformen erscheinen auf der Bildfläche. Führungskräfte und Unternehmen können sich Wissenslücken in diesem Bereich nicht leisten. Junge Menschen sind hier am Puls der Zeit. Oft dreht sich das Reverse Mentoring daher um digitale Skills, die sie als Digital Natives mitbringen.
New Work & Führung: Wie möchten junge Generationen wie die Gen Z arbeiten? Was erwarten sie in Sachen Führung? Das sind zentrale Fragen, die Führungskräfte und Unternehmen umtreiben – und junge Kolleg:innen können ihnen helfen, sie zu beantworten.
Employer Branding: Die War for Talent ist in vollem Gange. Was kommt bei jungen Menschen gut an und worauf achten sie, wenn sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden? Was könnte das eigene Unternehmen noch besser machen? Hier liefern Berufseinsteiger als Mentoren wichtige Einblicke.
Warum ist Reverse Mentoring sinnvoll?
Beim Reverse Mentoring geht es also um zukunftsrelevante Themen. Wie Unternehmen diese gestalten, entscheidet darüber, ob sie auch künftig noch erfolgreich sind. Es ist unabdingbar, dass sich die Führungsriege mit ihnen auseinandersetzt. Ziel dieses Konzepts ist daher auch, dass Produkte, Prozesse, Arbeitsweisen und Strukturen bis hin zum Geschäftsmodell mit aktuellen Entwicklungen Schritt halten oder ihnen voraus sind.
Reverse Mentoring ist auch aus weiteren Gründen sinnvoll: In Unternehmen arbeiten aktuell so viele Generationen wie noch nie zusammen – teilweise bis zu fünf, weswegen man auch von der 5G Workforce spricht. Von den Traditionalisten (geboren vor 1945) bis zur Generation Z ( geboren zwischen 1996 bis 2012) sind alle Altersgruppen vertreten. Und alle haben unterschiedliche Wertvorstellungen, Erfahrungen und Kompetenzen.
Bei immer länger dauernden Karrieren und den rasanten Entwicklungen, die wir durch Megatrends wie Digitalisierung und Globalisierung sehen, ist lebenslanges Lernen kein Nice-to-have mehr, sondern ein absolutes Muss. Reverse Mentoring ist wertvoll, weil es das Wissen der Jungen nutzt und gleichzeitig eine Brücke zwischen den Generationen schlägt. Indem sich Berufserfahrene und -einsteiger auf Augenhöhe begegnen und in einen regelmäßigen Austausch kommen, steigt das gegenseitige Verständnis füreinander.
Welche Vor- und Nachteile hat die Methode?
Reverse Mentoring bringt einige Vorteile mit sich – für Mentees, Mentoren und das gesamte Unternehmen:
Wie profitieren Mentees?
Sie können Wissenslücken schließen – und das in einem kleinen, vertrauten Rahmen statt in großer Runde bei einem Training.
Digitale Skills gehören schon heute zu den Must-haves im Führungskräfte-Skillset. Mit Reverse Mentoring stellen sie sicher, dass sie auch in Zukunft die Fähigkeiten haben, die Leader mitbringen müssen.
Sie bekommen wertvolle Anregungen und frische Impulse außerhalb ihres regulären „Dunstkreises“.
Welche Vorteile haben Mentoren?
Das Konzept stärkt Skills wie Kommunikation, aktives Zuhören und Lösungsfindung.
Sie erhalten Wertschätzung von senioreren Kolleg:innen – das steigert die Zufriedenheit und das Selbstbewusstsein.
Sie bauen ihr Netzwerk im Unternehmen auf.
Das Mentoring macht sie im Unternehmen sichtbarer.
Sie haben die Chance, auf Augenhöhe und offen mit Personen in Führungspositionen zu diskutieren.
Welche positiven Effekte gibt es auf Unternehmensebene?
Die Bindungsrate steigt, Mitarbeiter:innen bleiben also länger im Unternehmen.
Es kurbelt den Wissenstransfer in der Belegschaft an.
Die Unternehmenskultur wird gestärkt, denn das gegenseitige Verständnis wächst und die Mitarbeiter:innen haben ein stärkeres, generationenübergreifendes Verbundenheitsgefühl.
Es ist ein Schritt zu weniger Hierarchie im Unternehmen bzw. weniger hierarchischem Denken.
Und wie sieht es mit Nachteilen aus?
Richtige Nachteile gibt es beim Reverse Mentoring nicht. Aber es kann durchaus sein, dass ein Reverse Mentoring nicht erfolgreich ist. Zum Beispiel wenn:
die Chemie zwischen den Tandempartnern nicht passt.
kein zeitliches Commitment da ist.
die Erwartungen vorher nicht geklärt wurden.
Deswegen ist es wichtig, genügend Zeit einzuplanen, in der sich Mentor und Mentee kennenlernen und darüber sprechen können, was sie erwarten und regelmäßige Treffen festlegen.
Checkliste: In 5 Schritten zum Reverse Mentoring?
Es kann durchaus vorkommen, dass Führungskräfte selbst nach einem jungen Mentor suchen. Oder aber die HR-Abteilung führt Reverse Mentoring als offizielles Programm ein.
Wenn Sie diese Lernmethode in Ihrem Unternehmen etablieren möchten, können Sie sich an dieser Checkliste orientieren:
1. Planung
Ernennen Sie eine projektverantwortliche Person und stellen Sie ein Team auf, das das Programm durchführt.
Gewinnen Sie einen „Executive Sponsor“ auf Management-Ebene, der sich für das Programm ausspricht (und selbst mitmacht!) und so hilft, es ins Unternehmen zu tragen.
2. Anmeldung & Teilnehmerpool
Bereiten Sie einen Leitfaden für die Anmeldung vor, der abfragt, wo die persönlichen Interessen liegen und welche Themen die Personen vermitteln oder lernen möchten.
Machen Sie das Programm über Ihre internen Kommunikationskanäle intern bekannt und rufen Sie zur Anmeldung als Mentor oder Mentee auf.
3. Matching
Stellen Sie auf Basis der Angaben aus der Anmeldung passende Tandems zusammen.
4. Kick-Off & Mentoring-Treffen
Organisieren Sie ein Kick-Off mit allen Teilnehmer:innen, wo Sie auf mögliche Rahmenvorgaben (z. B. wie oft man sich treffen sollte) eingehen und Tipps für die gemeinsame Lernreisen geben.
Die Tandempartner starten eigenständig mit ihren regelmäßigen Treffen.
5. Wrap-up & Evaluation
Veranstalten Sie ein gemeinsames Treffen (digitales oder Präsenz-Event) mit den Mentoren und Mentees als Abschluss des Programms.
Holen Sie im Nachgang Feedback von den Teilnehmer:innen ein, das Ihnen zeigt, was Sie bei einer möglichen nächsten Runde verbessern können.
Was sind die Voraussetzungen beim Reverse Mentoring?
Damit das Konzept sein volles Potenzial entfalten kann, …
sollten beide Seiten bereit sein, sich auf das Programm einzulassen.
ist es unbedingt nötig, dass sie sich auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen.
müssen die Partner:innen sich dafür Zeit nehmen können und wollen.
sollte der oder die Mentee nicht die Führungskraft des Mentors sein.
darf keine Konkurrenzsituation zwischen Mentor und Mentee bestehen.
sollten die Personen menschlich und hinsichtlich ihrer Interessen zueinander passen.
braucht es Offenheit und Vertrauen zwischen ihnen.
sollten sich beide einig sein, dass das Mentoring ein „geschützter Raum“ ist, in dem nicht über Wissenslücken geurteilt wird.
Beispiele für Reverse Mentoring
Unternehmensübergreifende Programme: LinkedIn & Microsoft
„‚Das haben wir schon immer so gemacht‘ – du bist Berufseinsteiger:in und kannst diesen Satz schon jetzt nicht mehr hören? Perfekt, dann werde Teil unserer LinkedIn Initiative #ReverseMentoring und erweitere mit deinen frischen Ideen den Horizont von gestandenen Führungskräften und erfahrenen Gründer:innen!“ – mit diesem Aufruf hat LinkedIn 2021 auf ihre Reverse Mentoring Initiative aufmerksam gemacht. Das Spannende an ihrem Ansatz: Es war kein unternehmensinternes Programm – die Mentees waren bunt zusammengestellt und die Mentoren konnten sich öffentlich auf LinkedIn unter dem Hashtag #OpenToMentor bewerben.
Auf diesem Weg brachte das soziale Netzwerk sieben erfahrene Mentees mit Mentoren zusammen. Mit dabei waren u.a. Saruul Krause-Jentsch (Head of Podcast / Studies bei Spotify) und Alexander Kuehnen (CEO der Carl Kühne KG). Die Neuauflage ließ nicht lange auf sich warten und startete schon 2022.
Und was sprang für die jungen Mentoren dabei raus? Neben des Mentee als starken Netzwerkkontakt stellte LinkedIn ihnen ein Jahr Zugang zu ihrer Premium-Version zur Verfügung, damit sie ihr berufliches Netzwerk noch weiter ausbauen können.
Und auch andere Unternehmen setzen auf einen unternehmensübergreifenden Ansatz. Zum Beispiel startete Microsoft ein Reverse Mentoring Programm, in dem CTOs mittelständischer Unternehmen von jungen Microsoft-Nachwuchskräften lernten.
Unternehmensinterne Programme
Viele Unternehmen setzen mittlerweile auf Reverse Mentoring in ihren eigenen Reihen. Darunter bekannte Firmen wie Allianz, AXA, Deutsche Telekom, Deutsche Bahn, Bosch, Lufthansa und Messe München.
FAQs
Sie sind unsicher, welche Rahmenbedingungen Sie vorgeben sollten oder worauf Sie beim Matching achten sollten? Wir beantworten gängige Fragen zum Reverse Mentoring:
Wie groß darf der Altersunterschied sein?
Der Altersunterschied spielt keine Rolle. Wenn die (Lern-)Interessen zusammenpassen, können durchaus auch 20 Jahre oder mehr zwischen Mentor und Mentee liegen.
Wie viele Hierarchiestufen können zwischen Mentor und Mentee liegen?
Auch das ist für das Reverse Mentoring irrelevant. In vielen Unternehmen lässt sich sogar das obere Management von Berufseinsteigern etwas beibringen.
Welche Rolle spielen gemeinsame Interessen beim Matching?
Young Professionals bringen Manager:innen etwas bei – das kann für beide Seiten erst einmal komisch sein. Ein erstes Kennenlernen, bei dem sie über gemeinsame Interessen eine Verbindung herstellen können, kann da sehr helfen.
Ist Reverse Mentoring auch in Gruppen möglich?
Beim Reverse Mentoring haben sich Zweier-Teams bewährt. Denn einige Führungskräfte haben Vorbehalte, ihre Unsicherheiten gegenüber anderen Manager:innen zu zeigen.
Wie oft sollte man sich treffen?
Mentor und Mentee sollten bereit sein, sich Zeit für das Programm zu nehmen. Regelmäßige Treffen helfen nicht nur beim Lernerfolg, sondern auch dabei, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.
Wie lange sollte das Programm laufen?
Grundsätzlich wäre auch ein unbegrenztes Programm möglich. Damit das Engagement auf beiden Seiten hoch bleibt, macht es aber Sinn, ein Enddatum festzulegen, z. B. nach einem Quartal, sechs Monaten oder einem Jahr.
Ist es als verpflichtendes Programm für Führungskräfte sinnvoll?
Idealerweise ist die Teilnahme freiwillig. Ansonsten könnten einige Manager:innen dieser vertauschten Rollensituation ggf. nicht offen genug gegenüberstehen.
Wie viel kostet Reverse Mentoring?
Das Gute am Reverse Mentoring: Sie müssen keine teuren Trainer einkaufen, denn das Wissen befindet sich ja schon in Ihrer Organisation. Also eine kostengünstige Lernform!