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Massenentlassungsanzeige: Definition, Inhalt, Fallstricke
Damit Kündigungen im Rahmen einer geplanten Massenentlassung überhaupt wirksam sein können, müssen Sie eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstatten. Was diese Anzeige enthalten, wann und wo sie eingereicht werden muss und warum bereits minimale Formfehler auf Seiten des Arbeitgebers zu drastischen Konsequenzen führen können, erfahren Sie in diesem Beitrag. Außerdem erläutern wir die Entlassungssperre und ihre Folgen und zeigen auf, welche Fallstricke auf HR bei der Massenentlassungsanzeige lauern.
Was ist eine Massenentlassungsanzeige?
Als Massenentlassungsanzeige bezeichnet man jene Anzeige, die ein Arbeitgeber im Fall einer geplanten Maßnahme zu einer Massenentlassung gegenüber der Agentur für Arbeit erstatten muss. Betroffen sind hiervon alle Betriebe mit mindestens 21 Arbeitnehmenden. Egal, ob sie einen Betriebsrat haben oder nicht.
Damit die Voraussetzungen für eine Massenentlassung gegeben sind, müssen folgende Schwellenwerte erreicht werden:
Anzahl Mitarbeitende im Betrieb | Anzahl zu entlassende Mitarbeitende |
---|---|
in der Regel zwischen 21 und 59 | mehr als 5 |
in der Regel zwischen 60 und 499 | 10 Prozent oder mehr als 25 |
in der Regel mindestens 500 | mindestens 30 |
Zur Begriffsklärung: Bei einer Massenentlassung handelt es um das gleichzeitige Beenden einer Vielzahl von Arbeitsverhältnissen durch den Arbeitgeber. „Gleichzeitig“ bedeutet hier allerdings nicht an einem einzigen Werktag, sondern innerhalb eines Zeitraums von 30 Kalendertagen. In der Regel werden die Arbeitsverhältnisse durch den Ausspruch von Kündigungen beendet.
In unserem Beitrag „Massenentlassung“ finden Sie alle wichtigen Details aus dem Blickwinkel von HR.
Wann und wo muss die Massenentlassungsanzeige eingereicht werden?
Wenn Ihre Personalmaßnahme also die o.g. Schwelle für Ihre Unternehmensgröße erreicht, müssen Sie bei der zuständigen Agentur für Arbeit schriftlich eine Massenentlassungsanzeige stellen.
Zuständig ist immer jene Agentur für Arbeit, in deren Bereich sich die Massenentlassung auswirkt. Sind Sie unsicher, welche regionale Agentur zuständig ist, kontaktieren Sie unbedingt die Agentur für Arbeit. Warum? Wenn Sie die Anzeige zur Massenentlassung bei einer nicht für Ihr Unternehmen zuständigen Agentur stellen, führt dies zur Unwirksamkeit Ihrer gesamten Maßnahme!
Beachten Sie weiterhin folgende goldene Regel zum Timing:
Stellen Sie die Massenentlassungsanzeige,
bevor Sie die Kündigungen aussprechen und
nachdem der Betriebsrat seine Stellungnahme abgeschlossen und Ihnen übergeben hat.
Was muss eine Massenentlassungsanzeige enthalten?
Im Zusammenhang mit einer Massenentlassung nach § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) muss der Arbeitgeber im betroffenen Betrieb den dort zuständigen Betriebsrat rechtzeitig über die geplante Maßnahme zur Massenentlassung unterrichten.
Welche Schritte der Arbeitgeber dabei unternehmen muss, lesen Sie hier.
Rechtzeitig heißt hier: spätestens zwei Wochen vor der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit!
Im Anzeige- und Konsultationsverfahren müssen Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam beraten, wie Entlassungen möglichst zu vermeiden, einzuschränken bzw. deren wirtschaftliche Folgen für die Arbeitnehmenden abzumildern sind. Danach gibt der Betriebsrat in der Regel seine Stellungnahme zur geplanten Massenentlassung ab.
Diese Stellungnahme des Betriebsrats müssen Sie der Massenentlassungsanzeige beilegen. Für den Fall, dass der Betriebsrat keine Stellungnahme abgibt, müssen Sie gegenüber der Agentur für Arbeit glaubhaft nachweisen, dass Sie den Betriebsrat rechtzeitig informiert haben und außerdem den Stand der Beratungen der Agentur gegenüber offenlegen.
Hat das Unternehmen keinen Betriebsrat, so entfällt das Konsultationsverfahren.
Inhalt der Massenentlassungsanzeige
Folgende Informationen muss die Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG für die Agentur für Arbeit enthalten:
Name, Art und Sitz des Arbeitgebers
Gründe für die geplanten Entlassungen
Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmenden
Zahl und Berufsgruppen der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmenden
Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen
Geplante Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmenden
ACHTUNG: Sind diese Angaben unvollständig oder fehlen sie gar in der Massenentlassungsanzeige, werden die Kündigungen und damit die gesamte Massenentlassung unwirksam!
Neben diesen Informationen gibt es die sog. Soll-Angaben für die Massenentlassungsanzeige. Diese umfassen Geschlecht, Alter, Beruf sowie Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Beschäftigten.
Aktuelle Info zum Arbeitsrecht: Das Bundesarbeitsgericht hob 2022 das Urteil einer Vorgängerinstanz auf, dem zufolge das Fehlen der Soll-Angaben in der Massenentlassungsanzeige zu einer Unwirksamkeit der Massenentlassung führen würde.
Merke: Das Offenlassen der Soll-Angaben führt laut Rechtsprechung nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassung.
3 HR-Tipps zur Massenentlassungsanzeige
1. Lassen Sie das Originaldokument der Massenentlassungsanzeige von der Geschäftsführung bzw. dem rechtlichen Vertreter des Unternehmens handschriftlich unterzeichnen.
2. Stellen Sie Ihrem Betriebsrat eine Kopie der Anzeige bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung.
3. Die Agentur für Arbeit stellt auf ihrer Website ein Formular zur „Entlassungsanzeige“ zum Download zur Verfügung. Hier können Sie das Formular zur Entlassungsanzeige herunterladen.
Was ist die Entlassungssperre oder Sperrfrist?
Mit Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit wird automatisch eine einmonatige Sperrfrist, auch Entlassungssperre genannt, in Gang gesetzt (§18 Abs. 1 KSchG). Diese schützt die betroffenen Beschäftigten zunächst. Die Agentur für Arbeit kann aber den anzeigepflichtigen Entlassungen explizit zustimmen (rückwirkend sogar bis zum Tag der Antragstellung), dann sind diese Entlassungen auch vor Ablauf der Sperrfrist wirksam.
Die Agentur für Arbeit hat allerdings gleichfalls die Möglichkeit, die Sperrfrist auf zwei Monate auszudehnen.
Wann dürfen Kündigungen im Rahmen der Massenentlassung ausgesprochen werden?
Sobald die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist, darf der Arbeitgeber die Kündigungen aussprechen. Diese werden allerdings erst nach Ablauf der Entlassungssperre wirksam.
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Was gilt für Arbeitnehmende, wenn sie von einer Massenentlassung betroffen sind?
Sie müssen vor allem dafür sorgen, rechtzeitig ihre Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einzureichen. Spätestens drei Wochen nach Zugang der Kündigung muss diese Klage eingereicht werden. In der Regel zielen Kündigungsschutzklagen hier darauf ab, dass die Kündigung aufgrund eines Verstoßes gegen § 17 KSchG unwirksam sei.
Darauf muss der Arbeitgeber achten
Man kann es gar nicht oft genug wiederholen. Die Gefahr, dass Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassung und damit die gesamte Maßnahme unwirksam sind, besteht vor allem dann, wenn der Arbeitgeber eine oder beide der folgenden Pflichten aus § 17 KSchG versäumt, in der falschen Reihenfolge oder gar nicht umsetzt.
1. Rechtzeitige und umfassende Information des zuständigen Betriebsrats und anschließendes Konsultationsverfahren
2. Komplette und einwandfreie Erstattung der Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit
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